Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verwendung von Medizinalhanfblüten im März diesen Jahres steigt die Zahl der Patienten in Deutschland kontinuierlich. Da es sich bei Cannabis-Patienten meist um chronisch kranke Personen handelt, die regelmäßig ihre Medizin zu sich nehmen müssen, muss geklärt werden, wie sie ihre Medizin auch außerhalb der eigenen vier Wände einnehmen können.
Schon bevor es das Gesetz gab, hatten Patienten mit einer “Ausnahmegenehmigungen für den Erwerb von Cannabisblüten im Rahmen einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie” immer wieder Probleme mit der Polizei. Nachdem die Berliner Polizei aufgrund eines Vorfalls im Görlitzer Park bereits 2015 eine Dienstanweisung zum Umgang mit den ersten paar hundert deutschen Cannabis-Patienten herausgegeben hatte, war es jetzt wieder an der Zeit nachzufragen, wie und wo Cannabis-Patienten ihre jetzt verschreibungsfähige Medizin außer Hause konsumieren können. Deshalb hat der Hanfverband bei den zuständigen Landesbehörden nachgefragt, ob und wie es bereits eine Regelung für den Umgang mit Patienten gibt, die in Besitz eines Rezepts für Medizinalhanfblüten sind.
Alle Innen- sowie Gesundheitsministerien der Länder wurden gefragt:
– Wie bzw. wo können Cannabis-Patienten die entsprechende Regelung bzw. Verordnung zur Einnahme ihrer Cannabis-Medizin außerhalb ihrer Privaträume finden (z.B. Reisen, am Arbeitsplatz oder bei längerer Abwesenheit)?
– Findet bei Cannabis-Patienten eine konsequente Anwendung des Nichtraucherschutzgesetzes statt, in dessen Rahmen das öffentliche Rauchen von Medizinalkräutern aus gesundheitlichen Gründen oder von Tabakerzeugnissen aus Genussgründen, in Bezug auf Fremdschädigung und Jugendschutz, bereits geregelt ist?
– Was müssen Cannabis-Patienten bei der öffentlichen Einnahme von Medizinalhanfkräutern ansonsten beachten?
11 der 16 Bundesländer haben innerhalb der letzten drei Wochen geantwortet. Aus Hamburg, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg gab es auch auf wiederholte Anfrage keine Antwort.
Thüringen und Rheinland-Pfalz auf Abwegen
Die meisten Bundesländer verweisen in ihrer jeweilgen Antwort darauf, dass Rauchen, egal ob pur oder mit Tabak, eine nicht empfohlene Applikationsform darstelle und deshalb generell zu vermeiden sei. Grundsätzlich aber könnten Cannabis-Patienten dort ihre Medizin einnehmen, wo der Nichtraucherschutz gewährleistet sei. Vorausgesetzt, sie belästigen keine Dritten und konsumieren nicht provokant oder zur Schau stellend. Grundsätzlich halten sich fast alle Bundesländer bei ihrer Antwort fast im Wortlaut an die Interpretation des BfArM, das seit einiger Zeit auf seiner Webseite dazu informiert. Die detaillierten Antworten der einzelnen Bundesländer gibt es hier. Lediglich in Thüringen und Rheinland-Pfalz gibt man offen zu, Cannabis-Patienten weiterhin in die Kiffer-Schublade stecken zu wollen. In Rheinland-Pfalz sollen Patienten, die bei der Anwendung ihrer Cannabismedizin angetroffen werden, nach Prüfung des Rezepts und der Personalien zusätzlich auf andere, illegale Substanzen durchsucht werden.
Im Fall des Antreffens einer Person, die sich auf eine entsprechende Erlaubnis beruft, wird zunächst regelmäßig die Identität des/der Betroffenen festgestellt. Die Erlaubnis und ihre Auflagen sowie die außerdem erforderliche Bescheinigung des behandelnden Arztes werden auf Plausibilität, Einhaltung der Auflagen und ggf. Fälschungen hin geprüft. Sofern die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, wird eine Durchsuchung der Person nach weiteren Betäubungsmitteln vorgenommen,
heißt es aus dem rheinland-pfälzischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie.
Auf den ersten Blick überrascht die repressive Haltung im rot-grün regierten Rheinland-Pfalz. Die dort zuständige Ministerin ist die ehemalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, die auch noch Jahre nach ihrer Amtszeit als Drogenbeauftragte gegen alle Liberalisierungstendenzen zu Felde zieht. Doch selbst die Ministerin hatte das neue Gesetz zur medizinsichen Verwendung noch im März begrüßt.
Es kann nicht sein, dass sich im Einzelfall betroffene Menschen für den verbotenen Anbau von Hanfpflanzen entscheiden, weil sie sich die Präparate nicht leisten können,
so Bätzing damals gegenüber dem Trierer “Volksfreund”. Wie kann es dann sein, dass sich die gleichen Menschen in ihrem politischen Einflussbereich polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt sehen, weil sie ihre ärztlich verordnete Medizin unter Einhaltung des Nichtraucherschutzes einnehmen?
Thüringen hat angekündigt, grundsätzlich Ermittlungsverfahren gegen Cannabis-Patienten, die außer Hause ihre Medizin einnehmen und dabei ertappt werden, einzuleiten.
Unabhängig davon, dass aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar ist, dass medizinische Gründe dafür sprechen, THC zwingend in der Öffentlichkeit zu konsumieren, setzt sich der Konsument in jedem Fall dem Tatvorwurf aus, eine strafbare Handlung zu begehen. Die Polizei muss jedem öffentlichen THC-Konsum nachgehen. Die Polizei wird in einem sich abschließenden Ermittlungsverfahren klären und der Konsument nachweisen müssen, dass eine medizinische Indikation vorliegt. Bislang ist es in Thüringen zu keinen solchen Vorfällen gekommen. Vielmehr ist es dem Konsumenten, in der Regel wird von Schmerzpatienten ausgegangen, doch eher daran gelegen sein, seine Medikamente nicht in der Öffentlichkeit einzunehmen,
so der Pressesprecher des Innenministeriums, Carsten Ludwig, auf Anfrage des DHV. Wieso ausgerechnet Thüringen Cannabis-Patienten mit gültigem Rezept anzeigen will, bleibt das Geheimnis des rot-rot-grün regierten Bundeslandes.
In Bayern unterliegt nur der Mischkonsum von medizinischem Cannabis mit Tabak dem Nichtraucherschutzgesetz, wie sich aus der Antwort des Gesundheitsministeriums entnehmen lässt. Ob Patienten in Bayern deshalb auch ihre Medizin an Orten einnehmen dürfen, wo keine Tabakwaren konsumiert werden dürfen, lässt die Antwort allerdings offen.
[…]. Daraus folgt, dass der Konsum von ärztlich verordneten Cannabisarzneimitteln stets dann dem Rauchverbot des Gesundheitsschutzgesetzes unterfällt, wenn das Cannabisarzneimittel entgegen der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) herausgegebenen Hinweise für Patienten zusammen mit Tabak geraucht wird, ohne dass es auf die Art und Weise des Konsums (Zigarettenform, Wasserpfeife o.ä.) ankäme.
Die ausführlichste Antwort kam aus Berlin. Dort hat man sich anscheinend über die aktuelle Dienstanweisung hinaus ein paar eigene Gedanken gemacht und eine sehr detaillierte Antwort auf die DHV-Anfrage verfasst:
Als Orientierungshilfe für den Umgang mit Personen, die z.B. anlässlich einer Kontrolle Cannabisprodukte mitführen und erklären, Patientinnen/Patienten zu sein, denen ärztlich Medizinal-Cannabis verordnet wurde, wurde durch das Landeskriminalamt ein Merkblatt erstellt, das allen Mitarbeitenden der Polizei Berlin zur Verfügung steht. Neben den aktuellen Gesetzesänderungen sind darin Beispiele und Muster zu Rezepten, Darreichungsformen und Verpackungsgefäßen für Medizinal-Cannabis enthalten.
Da im Gesetz kein Erlaubnisnachweis vorgesehen ist, muss in einer Kontrollsituation die Berechtigung zum Besitz des Medizinal-Cannabis individuell festgestellt werden. Dabei bestehen beispielsweise folgende einfache Nachweismöglichkeiten, die von der Patientin oder dem Patienten freiwillig erbracht werden können:
– Es kann ein Behandlungsnachweis vorgelegt werden, z.B. durch Schreiben eines Arztes oder eine Kostenübernahmebescheinigung der Krankenkasse
– Es wird ein Rezept oder eine Rezeptkopie mitgeführt
– Durch eine kurzfristige Nachfrage (z. B. telefonisch) in der Praxis des verordnenden Arztes wird die Verschreibung bestätigt
– Das Medizinal-Cannabis ist ordnungsgemäß verpackt (z.B. Behälter mit Aufkleber und Datumsvermerk der abgebenden Apotheke)In der Regel wird sich bei Vorliegen einer oder mehrerer dieser Beispiele der Verdacht des unrechtmäßigen Besitzes ausräumen lassen. Sollten seitens der Polizei dennoch Verdachtsmomente für eine Fälschung des Rezeptes oder den unrechtmäßigen Besitz des Cannabis bestehen, wird eine Strafanzeige (z. B. wegen Urkundenfälschung – Rezeptfälschung oder Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz) gefertigt.
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