In Hessen wurde Mitte dieser Woche eine Arztpraxis durchsucht, um Daten eines Patienten, der Cannabis als Medizin nutzt, beschlagnahmen zu lassen. Den Angaben der Staatsanwaltschaft zufolge hatte der Beschuldigte gegenüber den behandelnden Ärzten falsche Angaben gemacht, um in den Besitz einer Verschreibung von Betäubungsmitteln zu gelangen.
Wie es dazu kam
Der Patient war seit 2013 im Besitz einer der bis 2017 gültigen Ausnahmegenehmigungen für den Erwerb von Cannabisblüten aus einer Apotheke. Seit der Einführung des Gesetzes zur Verwendung von Cannabis als Medizin bekommt er 50 Gramm Medizinalhanfblüten pro Monat von seiner Hausärztin verschrieben. Als er im Oktober 2018 im Rahmen einer Verkehrskontrolle von den Beamten auf das Mitführen illegaler Betäubungsmittel angesprochen wurde, zeigte er ihnen seine monatliche Verordnung sowie eine angebrochene 10-Gramm Dose mit, wie sich später herausstellen sollte, genau 8,82 Gramm Medizinal-Cannabisblüten. Die Beamten nahmen den Patienten daraufhin mit auf die Wache und ordneten eine Blutprobe an, während die Medizinalblüten genau abgewogen wurden. Die Medizin wurde dem Patienten erst nach Rücksprache mit der Staatsanwalt zurück gegeben – zusammen mit einer Anzeige wegen illegalem Betäubungsmittelbesitz. Diese Anzeige wurde dann nach Prüfung der Amtsanwaltschaft am 03.01.2019 eingestellt.
Sechs Tage nach dieser Einstellung beantragte die Staatsanwaltschaft Koblenz dann die Durchsuchung in den Praxisräumen der Hausärztin des Betroffenen, die dann Mitte dieser Woche stattfand. Die Begründung für die Eröffnung der nächsten Ermittlungen liest sich schon fast abenteuerlich: Der Patient habe am 05.10.2018 zum Zeitpunkt der Verkehrskontrolle noch insgesamt 8,82 Gramm Cannabis besessen. Somit hätten nur elf Tage nach der Verordnung durch die Hausärztin bereits 41,12 Gramm Cannabis gefehlt. Die Staatsanwaltschaft rechnet dann weiter, dass der Patient demzufolge 3,41 Gramm statt der verschriebenen zwei Gramm am Tag konsumiert habe. Zudem weise der Blutwert, der dem Patienten bis heute nicht mitgeteilt wurde, auf einen höheren Konsum als den ärztlich verordneten hin. Somit hätte er falsche Angaben bei seiner Ärztin gemacht und sich dadurch auf illegale Art und Weise legale Betäubungsmittel verschafft. Um das zu beweisen, müsse man in den Besitz die Original-Dosierungsanleitung der Ärztin gelangen und ohne eine Durchsuchung der Arztpraxis sei die gesamte Untersuchungsmaßnahme gefährdet. Unsere Anfrage bei der zuständigen Staatsanwaltschaft ist derzeit “in Bearbeitung”, wie uns ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Koblenz heute mitteilte.
Patienten sollen ihren Vorrat zuhause lassen
Anscheinend kennen sich weder die Staatsanwaltschaft noch die ermittelnden Beamten mit der Fürsorgepflicht bei verschreibungspflichtigen Betäubungsmitteln (BTM) aus. Denn Cannabis-Patienten und andere, die BTM auf Rezept erhalten, sollen nur die unmittelbar benötigte Dosis mit sich führen, während der Rest des Monatsvorrats zuhause im Tresor lagern muss. Das nennt sich juristisch Betäubungsmittelsicherheit nach § 15 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und ein Verstoß dagegen kann sogar geahndet werden. Trotz der intensiven Ermittlungen gegen Patient und Hausärztin hat die Polizei nie recherchiert oder dies gar kontrolliert, ob der Rest seiner Medikation während der Kontrollmaßnahme im Oktober 2018 eventuell zuhause im Tresor lagerte. Dem Hanfverband gegenüber bestätigte der Betroffene auf Nachfrage, dass der Rest seines Monatsvorrats damals wie vorgeschrieben geschützt vor dem Zugriff Dritter im heimischen Mini-Tresor verstaut war.
Update vom 05.03.:
Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Koblenz antwortete auf unsere schriftliche Anfrage vom 28.02. folgendermaßen:
Sehr geehrter Herr Knodt,
Gegenstand des von Ihnen angesprochenen Verfahrens XXXXXXXXXX war nicht der Vorwurf eines Vergehens nach dem BtMG, sondern ein möglicherweise strafrechtlich relevanter Verstoß gegen Straßenverkehrsvorschriften. Die hier zuständige Dezernentin hat das Verfahren eingestellt und zur Verfolgung noch im Raum stehender Ordnungswidrigkeiten an die Bußgeldstelle abgeben.
Die Staatsanwaltschaft geht nicht grundsätzlich davon aus, dass Cannabispatienten die gesamte vorgeschriebene Monatsdosis mit sich führen müssen. Diese sind vielmehr gehalten, die verschriebene Medikation in einem verschließbaren Behältnis gesichert aufzubewahren.Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich Ihnen in Anbetracht der noch laufenden Ermittlungen in dem Verfahren XXXXXXXX derzeit keine weiteren Einzelheiten mitteilen kann.
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