Die Regulierung des Marktes für Online-Glücksspiel ist ein interessantes Beispiel dafür, wie die Regulierung eines bisher illegalen Marktes durchgeführt werden kann – und was dabei schief laufen kann. Online-Glücksspiel befindet sich nun offiziell in einer Grauzone und wird staatlich geduldet. In einer Übergangsphase sollen sich die Anbieter bewähren und an bestimmte Regeln halten, bis der Glücksspielstaatsvertrag im Sommer nächsten Jahres in Kraft tritt. Die Bundesländer haben sich auf über 30 Regeln geeinigt, um die Risiken des Online-Glücksspiels zu reduzieren. Dazu gehören Einsatz-Limits, Werbeeinschränkungen und der Verzicht auf bestimmte Spiele. Die Aufsichtsbehörden der Bundesländer werden die bislang illegal agierenden Online-Glücksspielanbieter für Online-Poker und Automatenspiele nicht mehr verfolgen. Aus Sicht von Dr. Tobias Hayer, der sich als Sucht- und Glücksspielforscher an der Universität Bremen für eine strenge Regulierung ausspricht, ein “völlig falsches Signal”.
“Glücksspielanbieter werden nun dafür belohnt, dass sie sich in der Vergangenheit rechtswidrig verhalten haben”,
so der Diplom-Psychologe gegenüber der Tagesschau, der den Vertrag auch rechtsstaatlich als sehr bedenklich einstuft. Auf Online-Casinos entfallen zwei der insgesamt knapp 14 Milliarden Euro Jahresumsatz der Glücksspielbranche. Der Kampf gegen Online-Glücksspiel in Deutschland ist also offensichtlich seit Jahren gescheitert. Eine Regulierung ist prinzipiell richtig, doch die Zweifel am kommenden Glücksspielvertrag und seinem Regelwerk sind groß. Kein Wunder, gleicht er doch schon jetzt einem Sieg der Glücksspielbranche. Es wird keine Kontrollen bis 2021 geben, der Aufbau einer bundesweiten Aufsichtsbehörde für Online-Glücksspiele wird noch dauern. Die Passage zu Prävention klingt recht schwammig. Der wohl größte Triumph der Branche: Trotz des erwiesenermaßen hohen Sucht- und Gefährdungspotentials bei Online-Glücksspielen beinhaltet der Staatsvertrag kein konsequentes Werbeverbot. Auch Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig kritisierte den Glücksspielvertrag und verwies auf die noch fehlende Aufsichtsbehörde.
Und was hat das alles mit Cannabis zu tun?
Das hessische Innenministerium, welches maßgeblich die Diskussion rund um den Glücksspielvertrag vorangetrieben hat, liefert Skeptikern eine Antwort, die bemerkenswerter nicht sein könnte. Denn:
“Wer […] spielen will, soll nicht dazu gezwungen sein, dies illegal auf dem Schwarzmarkt zu tun, wo teils gar keine Spieler- oder Jugendschutzregeln eingehalten werden.”
Dass genau diese Argumentation auf die Legalisierung von Cannabis zutrifft, hat man in Wiesbaden vermutlich nicht einmal bemerkt:
“Wer kiffen will, soll nicht dazu gezwungen sein, dies illegal auf dem Schwarzmarkt zu tun, wo gar keine Verbraucher- oder Jugendschutzregeln eingehalten werden.”
Es ist grundsätzlich gut, dass eine Regulierung beim Online-Glücksspiel stattfinden soll. Allerdings springt dem geneigten Beobachter angesichts der Kritik am Cannabiskontrollgesetz der Grünen, dem die Drogenbeauftragte mangelnde Prävention und Jugendschutz unterstellte, die Doppelmoral förmlich ins Gesicht. Für Cannabis gibt es bereits den Entwurf für ein Regulierungsmodell, welches durchdachter und umfassender ist als der Glücksspielvertrag. Trotzdem wird es voraussichtlich Ende Oktober im Bundestag abgelehnt. Bis zu 1000 Euro im Monat verzocken ist also in Ordnung, als Erwachsener Cannabis konsumieren dagegen nicht, weil es die Jugend verführen könnte.
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