Dr. Franjo Grotenhermen hat am 12. Mai bekannt gegeben, sich in einen „ein- bis zweiwöchigen Hungerstreik“ zu begeben. Hintergrund für diesen Schritt ist die Preiserhöhung für Cannabisblüten aus der Apotheke.
Kostete ein Gramm Cannabis vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes noch 15 Euro, so schlägt es jetzt mit 22,10 Euro/Gramm zu Buche. Die aktuelle Preiserhöhung von knapp 50 Prozent wird mit dem neuen Status von Cannabisblüten begründet. Sie sind keine herkömmliche Fertigarznei, sondern wurden mit dem neuen Gesetz als verkehrsfähiges Arzneimittel eingestuft und werden deshalb als Rezeptursubstanz angesehen. Gibt ein Apotheker die Blüten einfach so an Patienten mit Rezept ab, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar. Die Apotheke muss die Blüten vor der Abgabe optisch und olfaktorisch begutachten und konsumfertig machen. Zu diesem Zwecke werden die Blüten von der Apotheke für 38,10 Euro/fünf Gramm zerkleinert. Selbst Patienten, deren Arzt auf die Verordnung „unzerkleinert“ vermerkt, zahlen diese Gebühr. Das erst im März verabschiedete Gesetz zur Verwendung von medizinischem Cannabis stellt so auch zehn Wochen nach seinem Inkrafttreten die Versorgung von Patienten nicht sicher.
Da Dr. Grotenhermen selbst schwer krank ist, wisse er nicht, wie sein Körper auf den Nahrungsentzug reagiere, sagte der Vorsitzende der “Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin” in einem Youtube-Video vom 12. Mai. Auch wolle er niemanden erpressen, sondern mit dem drastischen Schritt auf die derzeit sehr problematische Situation aufmerksam machen. Er wolle niemanden unter Druck setzen, weil viele Verantwortliche, die an dem Gesetz mitgearbeitet hätten, sich der Problematik bewusst seien und bereits an Lösungen arbeiteten. Grotenhermen sucht mit seiner Aktion jetzt vorrangig die Öffentlichkeit, um „ein Aussitzen zu verhindern“.
Auch die zugesagte Kostenübernahme durch die Krankenkassen geht derzeit nur sehr schleppend voran. Momentan wird sogar die Kostenübernahme von Palliativpatienten sowie vieler Patienten, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes über eine staatliche Ausnahmeerlaubnis verfügten, regelmäßig abgelehnt. Eine bundeseinheitliche Linie hierbei ist kaum ersichtlich. Während die AOK Nordwest Patienten mit einer Ausnahmeerlaubnis erst gar nicht vom Medizinischen Dienst prüfen lässt und die Kosten ohne Umschweife übernimmt, scheinen in Berlin fast alle ehemaligen Inhaber einer Ausnahmegenehmigung gegen eine Ablehnung des MDK vorgehen zu müssen.
Von den 1000 Patienten, die vor Inkrafttreten des Gesetzes bereits über eine Ausnahmeerlaubnis verfügten, müssen sehr viele gegen ihre Krankenkasse klagen, um ihre Therapie fortsetzen zu können. Denn welcher Patient mit einer chronischen Krankheit kann sich eine legale Therapie auf Privatrezept für 22,10 Euro/Gramm leisten? Viele Patienten weichen seit der Preiserhöhung auf illegale Quellen aus. Wäre es wie in Kanada möglich, medizinisches Cannabis auf ärztliche Empfehlung hin für fünf bis fünfzehn Euro zu erwerben, wäre die Kostenübernahme nicht das bestimmende Thema. Aber der Preis von 22,10 Euro pro Gramm und der verbotene Eigenanbau führen dazu, dass sich Patienten eine eigentlich kostengünstige Kräuter-Therapie ohne Kostenübername nicht einmal ansatzweise leisten können.
Dr. Knud Gastmeier, Schmerzmediziner aus Potsdam, solidarisiert sich mit dem hungernden Kollegen und hat am 13. Mai einen offenen Brief an Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke verfasst, der dem Hanfverband in voller Länge vorliegt. Darin heißt es unter anderem:
“Sehr geehrte Damen und Herren,
der Ihnen möglicherweise bekannte Vorsitzende des Arbeitskreises Cannabis in der Medizin e. V., Dr. Franjo Grothenhermen, sieht sich, wegen der durch die im neue Cannabisgesetz nicht vorhergesehenen Auswirkungen für bisherige Cannabispatienten und deren Ärztinnen und Ärzte, dazu veranlasst, in einen Hungerwarnstreik zu treten. Der Hintergrund ist die drastische Verteuerung von Cannabisblüten von ca.> 75€ je 5g auf 110€ und wenn es nicht verhindert wird, ist ein Preis von über 200€ je 5g zu erwarten. […].
In Brandenburg wurde jetzt einer 77 jährigen Patientin mit einem rasch fortschreitenden Pankreaskrebs die Kostenübernahme für die helfenden Cannabistropfen verweigert, obwohl sie bei mir als Palliativarzt in Behandlung war. Trotz persönlicher Intervention beim Kassen-Vorsitzenden konnten nur für einen weiteren auch abgelehnten und vom Tode kennzeichneten Palliativpatienten bis Freitag eine Kostenübernahme erreicht werden, nicht aber für die o.g. Krebspatientin.[…].
Im Interesse des o. g. Anliegens fordere ich deshalb öffentlich von den politisch Verantwortlichen:– Sich dafür einzusetzen, dass der Hungerstreik des nicht ganz gesunden Kollegen schnellst möglich beendet wird und Lösungen für die von ihm vorgetragen Probleme gefunden werden.
– Sich bei den Krankenkassen zu informieren, wie der rechtliche Stand ist und ob die Art der Durchführung der Ablehnungen, die im gesetzlichen Sinne nur im Ausnahmefall stattfinden sollen, rechtens ist. Ebenso warum die Ablehnung der Regel- und nicht der Ausnahmefall ist und nach welchen Qualifikations- und Qualitätskriterien dabei von den Krankenkassen vorgegangen wird. […].
– Die derzeitige Rechtssituation klarzustellen, mit welchen Sanktionen Ärztinnen und Ärzte rechnen müssen (Regress, Auswirkungen auf das Arzneimittelbudget, Bedrohung der beruflichen Existenz bzw. Alterssicherung für die, die sich derzeit für die Cannabistherapie ihrer Patienten engagieren und die Wirtschaftlichkeitsprüfung kurz oder nach Renteneintritt erfolgt), wenn sie sich weiter für die indizierte Cannabistherapie einsetzen
– Für den Zeitraum der nächsten 5 Jahre, in dem man die Cannabistherapie beobachten will, dürfen Ärztinnen und Ärzte, für die die Therapiesituation, mit bis dato illegalen Drogen, auch neu ist, nicht mit Sanktionen im Nachhinein und künftig bedroht werden. Es ist für allle Beteiligten eine neue und bisher mit nichts vergleichbare Therapiesituation, für die man die Ärzte weder juristisch noch wirtschaftlich unter den derzeitigen Bedingungen haftbar machen kann.
– Studien für die Cannabistherapie und deren Etablierung in den Leitlinien zu veranlassen
– Den nicht mehr nachvollziehbaren „Preiswucher“ zu stoppen und dafür zu sorgen, dass Patienten, für die eine medizinische Indikation besteht, Cannabis legal zu erschwinglichen Preise in der Apotheke beziehen können, wenn die Kostenübernahme durch die Krankenkasse verweigert wurde bzw. wenn sich für die indizierte Cannabistherapie kein Arzt findet.“
Besten Dank für Interesse
Dr. med. Knud Gastmeier
FA für Anästhesiologie, Spezielle Schmerztherapie u. Palliativmedizin
Karl-Marx Str. 42,
14482 Potsdam
Der DHV unterstützt die Forderungen beider Mediziner vorbehaltlos und hofft auf eine schnelle Einsicht bei allen Verantwortlichen und Handelnden.
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