Die parlamentarischen Mühlen mahlen bekanntlich langsam. Am 16. März 2016 wurde im Gesundheitsausschuss eine Anhörung zum Gesetzesentwurf eines Cannabiskontrollgesetzes (CannKG) durchgeführt, den die Grünen vor fast genau einem Jahr, am 20. März 2015, in den Bundestag eingebracht haben.
Unionsexperte Thomasius lobt die deutsche Drogenpolitik
Bei dieser Anhörung waren Vertreter von 20 Verbänden und 5 Einzelsachverständige eingeladen, schriftliche Stellungnahmen wurden jeweils vorab eingereicht. Auffällig war dabei, dass die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion hauptsächlich ihre beiden Einzelsachverständigen, Prof. Thomasius und Herrn Patzak, befragt haben, welche die üblichen Argumente zum Besten gaben: Abhängigkeit, IQ Verlust, Psychosen, Suizidalität und die These der Einstiegsdroge. Prof. Thomasius ging soweit zu behaupten, unsere Drogenpolitik mit ihren vier Säulen Prävention, Therapie, Schadensminimierung und Repression sei im internationalen Vergleich sehr gut. Herr Patzak kritisierte den grünen Gesetzesentwurf, da er dem Jugendschutz nicht gerecht werde und nicht geeignet sei, den Schwarzmarkt auszurotten. Auch nach einer Legalisierung bleibt aus seiner Sicht immer der Bedarf für billigeres und hochpotentes Cannabis bestehen. Insgesamt schossen sich die beiden Unionsexperten aber sehr stark auf die Frage des Jugendschutzes ein.
Geringe Menge einheitlich und rechtssicher regeln ist Minimalkonsens
Herr Patzak kritisierte aber ähnlich wie in seiner letzten Anhörung vor dem Bundestag die Gesetzeslage in Deutschland und forderte ganz klar, dass die Geringe Menge nach §31a BtMG bundeseinheitlich geregelt werden müsse. Dafür soll es aus seiner Sicht keine “Kann-Bestimmung”, sondern eine “Soll-Bestimmung” geben, wodurch Betroffene weniger Ungewissheit über ihr Strafmaß hätten. Die genaue Gramm-Grenze müsse politisch verhandelt werden, aber es solle sichergestellt werden, dass der “sozial adäquate Cannabiskonsument” nicht bestraft werde. Deswegen müsse es in den Verordnungen zu §31a heißen: “Das Verfahren ist einzustellen, es sei denn…”. Prof. Thomasius bezeugte immerhin, dass er das Alkohol- und Tabakkonsumverhalten der Deutschen für deutlich riskanter hielt, als das beim Cannabiskonsum.
SPD zeigt sich kritischer und differenzierter als die Union
Interessant war zu beobachten, dass die SPD-Abgeordneten ihre Fragen in Bezug an die Unionsexperten kritischer formulierten und sich von den anderen anwesenden Sachverständigen eine Meinung zu dem bereits gesagten einholten. Das gab diesen die Gelegenheit, die getroffenen Aussagen von Prof. Thomasius fundiert zu hinterfragen.
Strafrecht ungeeignet für die Ziele der Drogenpolitik
Prof. Ambos plädierte dafür, Veränderungen in der Drogenpolitik zu wagen und zu erproben. Das Strafrecht und die Prohibition könnten das erklärte Ziel, den Konsum zu reduzieren, nicht erreichen und hätten unerwünschte Nebenwirkungen. Man könne nun lange darüber spekulieren, was passieren würde, wenn man liberalisiert. Um Gewissheit zu erlangen, müsse man wissenschaftlich begleitete Modellprojekte auf Ebene der Kommunen oder Bundesländer durchführen. Es sei an Zeit, der Gesellschaft diesen Versuch zuzumuten. Auch der Experte der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) stimmte der Aussage zu, dass das Strafrecht und die Repression gegen Konsumenten die anderen Säulen der Drogenpolitik negativ beeinflusse. Viele Hilfs- und Aufklärungsangebote würden so verhindert. Es müsse eine Enquete-Kommission eingerichtet werden, welche die Frage mit Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen diskutieren könne.
Richtervereinigung erklärt das BtMG für Absurd
Der Sprecher der Neuen Richtervereinigung bezifferte die Kosten der Repression auf 3,7-4,6 Milliarden Euro im Jahr, was 10 Mal mehr sei, als die Ausgaben für Prävention und Therapie. Zudem sei es absurd, dass man für Handel mit Cannabisprodukten das gleiche Strafmaß zu erwarten hat wie bei Totschlag. Auch andere Experten waren sich darin einig, dass Strafverfolgung bei Konsumdelikten grundsätzlich unverhältnismäßig sei und der Staat verpflichtet sei zu erklären, wie diese Art der Sanktionierung überhaupt zu den erwünschten Zielen führen könne.
Fehler der Atompolitik nicht wiederholen
Der DHV-Geschäftsführer Georg Wurth zeigte in seinem Statement auf, wie die gesellschaftliche Debatte seit dem Urteil des BVerfG 1994 sich Pro-Legalisierung verändert hat. “Wenn die Entwicklung so weiter geht, wird in den nächsten fünf Jahren ganz Nordamerika vom Hanfverbot befreit sein”, der Trend sei eindeutig. Nun gelte es nicht die gleichen Fehler wie bei der Atompolitik zu wiederholen. Wenn man sich jetzt der Diskussion verweigere und die Chance verpasse sich zu überlegen, wie der richtige Weg zur Legalisierung ist, werde man am Ende von den gesellschaftlichen Entwicklungen überrollt und könne kein handwerklich gutes Gesetz vorlegen. Auch die Politiker, die noch nicht bereit für die Legalisierung sind, sollten zumindest mit kleinen Schritten anfangen, um am Ende nicht völlig abgehängt zu werden. Für seinen Aufruf an die Politiker wurde Wurth von der Sitzungsleitung gerügt, da er als Sachverständiger nur Fragen beantworten, aber keine Forderungen an die Politik stellen solle.
Die schriftliche Stellungnahme von Georg Wurth für den DHV haben wir auf der DHV-Seite veröffentlicht.
Wir brauchen Grenzwerte für den Führerschein
Die Expertin vom Schildower Kreis wartete mit einer Reihe von Zahlen auf, die zeigten, dass unter den Cannabiskonsumenten nur eine kleine Minderheit von 1,3 % überhaupt behandlungsbedürftige Probleme entwickeln. Damit relativierte sie die Zahleninterpretation von Prof. Thomasius. In dem Zusammenhang wurde auch die Führerscheinfrage thematisiert. Hier sei es unverhältnismäßig, wenn Cannabiskonsumenten die Fahreignung bei regelmäßigem Konsum grundsätzlich abgesprochen würde. Man müsse erstmal beweisen, dass die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt sei und darum brauche man wissenschaftlich gesicherte Grenzwerte für THC.
Cannabis ist Einstiegsdroge in kriminelles Verhalten
Von Akzept e.V. wurde nochmal der wissenschaftlich nicht mehr haltbare Mythos der Einstiegsdroge angesprochen und kritisiert. Cannabis verhalte sich zu Heroin so wie eine Erkältung zu einer Lungenentzündung. Fast jeder Lungenentzündung liegt eine Erkältung zu Grunde, aber nicht jede Erkältung führe zu einer Lungenentzündung. Wenn Cannabis eine Einstiegsdroge sei, dann doch nur in dem Sinne, dass aufgrund der geltenden Gesetze der Umgang mit Cannabis die Betroffenen automatisch in kriminellem Verhalten lehrt.
Die Mehrheit der Experten war eindeutig der Meinung, dass man nicht wie bisher weiter machen könne, auch wenn man über den Umfang der nötigen Veränderungen doch unterschiedlicher Meinung war. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die Politiker von CDU und SPD auf die von ihnen geladenen Experten hören werden. Das Verbot ist nicht rational, sondern ideologisch begründet. Es wird noch viele Sitzungen und Diskussionen geben, bevor wir echte Veränderungen sehen.
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