Übersichtsseite zum Cannabis als Medizin Gesetz, welches die Verkehrs- und Verschreibungsfähigkeit von Cannabisblüten herstellen soll mit einer Bewertung des Gesetzentwurfes, Unterschiede zwischen Referententwurf und Gesetzentwurf, Historie, Reaktionen sowie weiterführenden Links. Der amtliche Name lautet “Entwurf eines Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften”.
Zur Verabschiedung des Gesetzes im Bundeskabinett am 4.5.2016 gab der DHV diese Pressemitteilung “Hanfverband begrüßt längst überfälliges Gesetz zu Cannabis als Medizin” heraus. Das Gesetz wurde inzwischen in den Bundestag eingebracht. Es fand am 21.9.2016 eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss statt. Mit einer Verabschiedung wird im November gerechnet. Danach muss das Gesetz noch durch den Bundesrat, wobei es hier keiner Zustimmung bedarf. Damit könnte das Gesetz zum 1.1.2017 in Kraft treten. Der aktuelle Stand der Gesetzgebung ist im DIP des Deutschen Bundestages abrufbar.
Vorbemerkung
Dieses Gesetz ist das Ergebnis jahrlanger Klagen von Patienten gegen die Blockade der Bundesregierung gegen Cannabis als Medizin. Die Bundesregierung hat nur soweit nachgegeben, wie es durch Gerichtsurteile “alternativlos” wurde. Der vielbeachtete Sieg eines Patienten vor dem Bundesverwaltungsgericht um das Recht, Cannabis selbst anzubauen, begann mit dessen Anbauantrag aus dem Jahr 2000. Während das zuständige BfArM diesen Antrag aus fachlicher Sicht bereits genehmigen wollte, wurde dies durch eine politische Weisung aus dem Bundesgesundheitsministerium untersagt.
Zur Anhörung
Aufzeichnung: Die einzelnen Wortbeiträge als jeweils eigenes Video hat DHV-Mitarbeiter Maximilian Plenert auf seinem Youtube-Kanal in einer Playlist zusammengestellt. Dort sind auch seine eigenen Wortbeiträge in der Anhörung zu finden.
Stellungnahmen: Die schriftliche Stellungnahme von Georg Wurth zur Anhörung ist auf der DHV-Seite zu finden, aber auch auf der Seite des Bundestages, wo auch alle anderen Stellungnahmen zum Download bereitstehen, inklusive der von Maximilian Plenert.
FAQ zum neuen Cannabis als Medizin Gesetz
Falls das Gesetz unverändert beschlossen wird, gelten nach Inkraftreten folgende Regeln, die hier in Form einer FAQ vorgestellt werden.
Kann man nach einer Ablehnung der Kostenübernahme trotzdem Cannabis auf ein BtM-Rezept verschrieben bekommen und kann dann seine Medizin in der Apotheke kaufen?
Ja. Ein Arzt kann weiterhin ein BtM-Privatrezept ausstellen. Das Cannabis kann dann auf eigene Rechnung in der Apotheke erworben werden.
Hinweis zum Rezept für den Arzt: Bei Privatverordnungen wird der Vermerk “Privat” rechts in der Zeile “Krankenkasse bzw. Kostenträger” neben “Gebührenfrei” eingetragen.
Unter welchen Voraussetzung (z.B. Krankheitsbilder, “austherapiert?”) gibt es ein Rezept für Cannabis?
Es gibt für Cannabis als verschreibungsfähiges Betäubungsmittel keine speziellen Voraussetzungen für das Ausstellen eines Rezeptes durch den Arzt. Damit gelten die gleichen Regeln wie für andere Betäubungsmittel, z.B. Amphetamin, Dronabinol, Methylphenidat, Morphin, Benzodiazepine oder Tilidin. Hier ist insbesondere § 13 BtMG relevant. Dieser fordert eine Art “Austherapiertheit” (“wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann.”), wobei die Ärzte hier in der Praxis bei einer Therapie nach Leitlinie relativ frei entscheiden können.
Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz – BtMG)
§ 13 Verschreibung und Abgabe auf Verschreibung(1) Die in Anlage III bezeichneten Betäubungsmittel dürfen nur von Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten und nur dann verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen, zahnärztlichen oder tierärztlichen Behandlung einschließlich der ärztlichen Behandlung einer Betäubungsmittelabhängigkeit verabreicht oder einem anderen zum unmittelbaren Verbrauch oder nach Absatz 1a Satz 1 überlassen werden, wenn ihre Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper begründet ist. Die Anwendung ist insbesondere dann nicht begründet, wenn der beabsichtigte Zweck auf andere Weise erreicht werden kann.
Außergewöhnlich beim Einsatz von Cannabis als Medizin ist die Notwendigkeit, diese Leistung bei der Krankenkasse für eine Kostenerstattung im Vorfeld zu beantragen. Hier gelten besondere Regeln, aber dies ist eine andere Frage.
Bewertung des Gesetzentwurfes
- Gesetz soll explizit Eigenanbau verhindern
“Ein Eigenanbau von Cannabis durch Patientinnen und Patienten zur medizinischen Selbsttherapie birgt die Gefahr von mangelnden Qualitäts- und Sicherheitskontrollmöglichkeiten und ist aus gesundheits- und ordnungspolitischer Sicht nicht zielführend.”
Damit werden Patienten die selbst anbauen weiterhin mit dem Strafrecht vor sich selbst geschützt.
Unsere Forderung: Versorgung braucht Eigenanbau – Für Versorgungssicherheit und Sortenvielfalt und gegen finanzielle Hindernisse.
Wann die Versorgung sichergestellt wird, steht in den Sternen. Was passiert bis zum ersten deutschen Anbau?
- Cannabis nur als Ultima Ratio bei Kostenerstattung
Der Schwarze Peter wird an die Krankenkassen / MDK weitergereicht, siehe dazu auch die Stellungnahme des ACM ab Seite 11.
- Zweifelhafte Begleiterhebung als Grundlage für zukünftige Kostenerstattungsregeln
Gesundheitsminister Gröhe erklärte im ARD-Morgenmagazin am Tag der Verabschiedung: „Wichtig ist mir: intensiv begleitet von einer Begleitforschung, weil wir noch mehr wissen müssen über den wirklichen Nutzen“, erklärte Gröhe. Bis es den geplanten staatlich kontrollierten Anbau in Deutschland gibt, soll die Versorgung mit Importen gedeckt werden.
Die LINKE hat zum Thema Begleitforschung und der Nichtnutzung der existierenden freiwillige Auskunftsbereitschaft eine Anfrage gestellt und das Ergebnis der Antwort in dem Beitrag Freiwillige Auskunftsbereitschaft von Cannabispatientinnen und -patienten bleibt für Forschung an Cannabismedizin ungenutzt zusammengefasst.
Darin wird zudem ausgeführt: Außerdem ist vollkommen unklar, wie die von der Bundesregierung angestrebte Begleitforschung im vorgesehenen Zeitrahmen von weniger als zwei Jahren überhaupt zur Erstellung von hochwertigen aussagekräftigen Studien beitragen soll. Diese Zeitspanne wird nicht für die Entwicklung, Durchführung und der Erstellung des erforderlichen Abschlussberichtes bei der geringen Anzahl an Patientinnen und Patienten mit verschiedenen gesundheitlichen Problemen reichen. Ohnehin sieht der bisherige Entwurf keine weiteren Informationen zur Durchführung der Begleitforschung vor, etwa den medizinischen Kriterien. Dabei soll auf Grundlage der Forschungsergebnisse entschieden werden, in welchen medizinisch notwendigen Fällen und unter welchen Voraussetzungen Cannabis ab August 2019 durch die Krankenkassen erstattet werden kann.
Unsere Forderung: Die verhinderte Forschung der letzten Jahrzehnte muss nachgeholt werden. Das Gleiche gilt für die Fortbildung bei Ärzten.
Es fehlen akut an Kassenärzte, die Cannabis verschreiben würden, wenn es möglich wird. Patienten mit Ausnahmegenehmigung ohne Kassenarzt vor Ort verlieren Erwerbsmöglichkeit.
- Der Anbau soll ausschließlich für medizinische Zwecke ermöglich werden. Cannabis und die zahlreichen Cannabinoide wird nicht wie zunächst angekündigt in Anlage III umgestuft.
Der Wissensschaft sowie die schon erwähnten Patienten stehen weiterhin vor hohen Hürden im Weg.
- Reines Cannabidiol und andere Cannabinoide werden nicht berücksichtigt.
Auswirkungen auf das Urteil zum Einanbau von Patienten
Kanzlei Menschen und Rechte: Keine wichtige Rolle in dem Verfahren spielte der Gesetzentwurf mit dem Bundesgesundheitsminister Gröhe ermöglichen will, dass Ärztinnen und Ärzte Patienten Cannabis zu Lasten der GKV verordnen können. Das lag vor allem daran, dass der Gesetzentwurf an der konkreten Situation der Patienten in der nächsten Zeit nichts verändern wird: derzeit ist offen wann und mit welchen Regelungen er genau verabschiedet werden wird.
Versionen
- Referentenentwurf aus dem Januar 2016
- Gesetzentwurf der Bundesregierung wie er am 4.5.2016 im Bundeskabinett verabschiedet wurde
- Bundestagsdrucksache
Unterschiede zwischen Referententwurf und Gesetzentwurf
Es ist nicht mehr von Patienten mit “bestimmten, insbesondere schwerwiegend chronisch erkrankten ” die Rede, sondern nur von “schwerwiegend erkrankten”. Auch der Verweis auf die Regelungen des § 62 (“Chronikerrichtlinie”) SGB V fällt weg.
Cannabis (inklusive Nutzhanf) bleibt in Anlage I BtMG. Nur Cannabis “nur aus einem Anbau, der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle gemäß den Artikeln 23 und 28 Absatz 1 des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe erfolgt, sowie in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind” wird in Anlage III umgestuft.
Die Begleitforschung wird durch eine Begleiterhebung ersetzt. Hierbei sollen anonymisierte Daten durch die Ärzte an der BfArM übermittelt werde. Für dieses Projekt sind 850.000 Euro eingeplant.
Historie
Zukunft: Einbringen in den Bundestag, erste Lesung, Beratung in den Ausschüssen, ggf. Anhörung, zweite und dritte Anhörung, Abstimmung Bundestag, danach Beratungen und Abstimmung im Bundesrat
Reaktionen zum Beschluss des Gesetzentwurfes
- Die LINKE / Frank Tempel: Kein echter Sinneswandel der Regierung bei Anwendung von Cannabis als Medizin
- Grüne: Katja Dörner, stellvertretende Fraktionsvorsitzende, und Harald Terpe, Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik: Cannabis als Medizin: Trippelschritte sind nicht genug
Links
- Cannabis als Medizin auf der Website des BMG
- Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes: Eigenanbau von Cannabis zu therapeutischen Zwecken ausnahmsweise erlaubnisfähig
- Zur Komplexität des Thema Cannabis als Medizin: der gleichnamige Abschnitt in der DHV Stellungnahme zum Fachgespräch Cannabis als Medizin in Sachsen-Anhalt 2015
Der Text bezieht sich auf eine ältere Ausgabe der Veröffentlichtung, die Neuste ist hier zu finden.