Durch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auf “Frag den Staat” können wir erstmals den Antrag des Berliner Senats von 2019 auf ein Cannabis-Modellprojekt veröffentlichen. Hier beschreiben wir die wichtigsten Eckpunkte des Antrags und den Stand des Prozesses.
Aktuelle Einordnung
Nach aktuellem Stand ist davon auszugehen, dass die Legalisierung auf Bundesebene durchgesetzt wird. Sollte dies dennoch scheitern, würden Modellprojekte und die Klage der Stadt Berlin gegen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wieder neue Relevanz bekommen. Deshalb dokumentieren wir das laufende Verfahren und beschreiben die bisher unveröffentlichten Details des Berliner Modellprojektes.
Vorgeschichte und Stand der Dinge
Bereits 2019 hatte der Berliner Senat den Antrag auf ein Modellprojekt zur Cannabisabgabe zu wissenschaftlichen Zwecken gestellt, der vom BfArM mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die Durchführung “weder medizinisch noch ethisch vertretbar” sei.
Kurz darauf legte Berlin einen Widerspruch gegen diese Ablehnung ein, welcher ebenfalls vom BfArM abgelehnt wurde.
Auch die Ablehnung des Antrags sowie die Widerspruchsablehnung durch das BfArM können wir hier im Original veröffentlichen. Sie wurden uns von Micha Greif zur Verfügung gestellt, der sich ebenfalls über eine Anfrage per IFG erkundigt hatte. Micha Greif ist Initiator der erfolgreichen Modellprojektanträge in Münster und München sowie ehemals langjähriger DHV-Ortsgruppensprecher.
Der Berliner Senat entschied sich daraufhin, Klage gegen die Ablehnung des Widerspruchs einzulegen. Diese ging bereits am 16.10.2020 beim Verwaltungsgericht Köln ein (AZ 7 K 5630/20). Ein Termin zur mündlichen Verhandlung steht noch aus. Damit ist die Stadt Berlin die erste, die gegen die Ablehnung eines Cannabis-Modellprojektes durch das BfArM vor Gericht zieht. Die Entscheidung über das Klageverfahren gegen die Bonner Behörde beim Verwaltungsgericht Köln steht noch aus.
Details des beantragten Berliner Modellprojekts
Es handelt sich konkret um einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis zu wissenschaftlichen Zwecken nach § 3 (2) des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) für einen „Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene im Bundesland Berlin“. Der Versuchsplan dieses Modellprojekts sieht zwei Vergleichsgruppen vor, deren Konsumverhalten und -folgen in Kooperation mit Einrichtungen der Suchtprävention und Suchthilfe untersucht und anschließend evaluiert werden sollen. Ziel sei, “Erkenntnisse zur Reduktion der Risiken, die im Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum stehen”, zu gewinnen. Die Abgabe des Cannabis soll in Apotheken erfolgen.
Die Studie soll insgesamt 698 Personen umfassen. Die Hälfte davon (“Interventionsgruppe”) soll Cannabis in Berliner Apotheken beziehen können. Die andere Hälfte ist die Hamburger “Kontrollgruppe”, insgesamt 349 Personen, die unter ähnlichen Großstadtverhältnissen leben, ihr Cannabis aber vom Schwarzmarkt beziehen.
Diese Stichprobengröße soll laut Antrag “ein statistisch signifikantes Ergebnis […] für den Vergleiche [sic!] von Interventions- zu Kontrollgruppe” erzielen.
Beide Gruppen werden über einen Zeitraum von 12 Monaten in regelmäßigen Abständen befragt, um anschließend die Ergebnisse zu vergleichen und auszuwerten.
Die wissenschaftliche Konzipierung des Modellprojekts wurde vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg (ZIS) erarbeitet.
Das Modellprojekt-Vorhaben ist im aktuellen Koalitionsvertrag von Rot-Grün-Rot wiederzufinden. Hier wurde die Weiterverfolgung des Modellprojekts als möglicher “Plan B” verankert, sollte die Cannabislegalisierung auf Bundesebene vorerst nicht vorangebracht werden.
Weitere detaillierte Informationen und eine Übersicht zu Bestrebungen von Kommunen und Bundesländern für Cannabis-Modellprojekte findet ihr hier.
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