Ein potentiell dramatischer Entschluss wurde heute auf der Justizministerkonferenz in Eisenach gefasst: Die Justizminister der Länder haben sich für eine bundesweite Cannabis-Obergrenze ausgesprochen. Bis maximal sechs Gramm “sollen” demnach laut dpa-Meldung Besitzdelikte eingestellt werden können. Ob dieser Vorschlag von der konservativen Regierungskoalition und von Bundesinnenminister Seehofer aufgegriffen wird, bleibt abzuwarten. Die Justizverwaltung Berlin gab hingegen bekannt, dass es in der Hauptstadt bei der gewohnten Regelung bleiben soll.
Diverse Medien berichten bereits über die Entscheidung. Demnach könnten bei Cannabis-Besitzdelikten in Zukunft nur noch bis zur Menge von sechs Gramm die Strafverfahren eingestellt werden. Höhere Regelungen aus anderen Bundesländern würden dadurch für nichtig erklärt. “Die Vereinheitlichung der Obergrenze wäre überfällig, denn die strafrechtliche Verfolgung der Drogenkriminalität ist zu wichtig, als dass wir uns hier einen rechtlichen Flickenteppich leisten könnten”, so Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU). Repressive Bundesländer wie Bayern, Baden-Württemberg oder Sachsen könnten jedoch auch bei der angedachten Regelung weiterhin bei den kleinsten Krümeln Cannabis Strafen verhängen, wenn es bei einer “Kann”-Einstellungsregel bleibt und keine “Muss”-Einstellungsregel eingeführt wird. Die bundesweite einheitliche Regelung, die schon 1994 vom Bundesverfassungsgericht gefordert wurde, kann so nicht erreicht werden. Die von den Justizministern geplante Regelung schüfe also keine bundesweite Gleichbehandlung oder gar Rechtssicherheit für Betroffene.
Bereits im Vorfeld der Justizministerkonferenz wurde die Debatte über eine bundesweit einheitliche Regelung der Geringen Menge von Wolf (CDU) ins Rollen gebracht. Die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler überraschte mit ihrer Aussage, eine bundesweite Obergrenze “verhindere einen “Cannabis-Tourismus” zwischen den einzelnen Bundesländern”, ihr bayrischer Parteifreund Bausback (CSU) sprach sich für eine Obergrenze von bundesweit 6 Gramm aus. Dass sich der repressive Vorschlag aus Bayern entgegen der höher angesetzten Grenzen in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Rheinland-Pfalz bundesweit durchsetzen könnte, ist angesichts internationaler Tendenzen für einen liberaleren Umgang mit Cannabis unwahrscheinlich. Die Mehrheit der Länder ist dafür, aber der Widerspruch aus Berlin zeigt, dass diese Debatte noch nicht zu Ende ist.
Allein können die Bundesländer die Regelungen nur im Konsens vereinheitlichen, indem sie alle die gleichen Verordnungen erlassen. Ohne diesen Konsens kann nur eine Entscheidung im Bundestag eine solche Regelung direkt im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verankern. Dafür hat ein Beschluss der Justizministerkonferenz nur empfehlenden Charakter.
Es geht um viel: Die Justizminister der Länder würden mit einer solchen Obergrenze eine große Chance versäumen, weitere Entkriminalisierungsschritte zu gehen, um Polizei und Justiz von den unverhältnismäßigen Ermittlungen wegen kleinerer Besitzdelikte zu entlasten.
Stattdessen wären bei einer solchen Verschärfung noch mehr Verfahren sowie eine allgemeine bundesweite Verschärfung der Repression zu befürchten. Der Rekordwert von über 200.000 Strafverfahren wegen Cannabis im Jahr 2017 könnte unter derartigen Umständen bald nochmal deutlich wachsen. Die unnötigen Kosten für Polizei und Justiz würde steigen, der Konsum von Cannabis jedoch nach allen weltweiten Erfahrungen nicht zurückgehen. Repression hält Menschen nicht vom Konsum ab!
Update: Am 08. Juni sprach sich auch das Land Thüringen in einer Pressemitteilung gegen die geplante Obergrenze aus: ” „Unsere Regelung ist ein Schritt hin zu einer modernen, effektiven Drogenpolitik, aber kein Freibrief. Wir wollen uns auch in diesem Bereich weiter an der Lebenswirklichkeit orientieren und setzen auf Aufklärung und qualifizierte Hilfe für Suchtkranke“, so Thüringens Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) in einer Pressemitteilung des Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.
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